Seiten

Freitag, 17. April 2015

Amtsgericht spricht 96-Fan in weiterem Derby-Verfahren frei

In einem weiteren Verfahren betreffend des Zündens von Pyrotechnik während der Begegnung Hannover 96 - Eintracht Braunschweig im November 2013 konnte Verteidiger Dr. Andreas Hüttl einen Freispruch erwirken. Konkret räumte der Angeklagte ein, während des Spiels einen so genannten Rauchtopf gezündet zu haben. Der Anklagevorwurf der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften nach § 330a StGB konnte nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit festgestellt werden; ebenso wenig die angeklagte versuchte gefährliche Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr.1, 22, 23 StGB. Das Gericht ging in der Urteilsbegründung nachvollziehbar und unter ausdrücklicher Berufung auf die Ausführungen des als Sachverständigen gehörten Gutachters der BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) davon aus, dass nicht nachgewiesen werden könne, dass der freigesetzte Rauch zu schweren gesundheitlichen Schäden hätte führen können. Nicht einmal betreffend der Alternative der (allgemeinen/leichten) Gesundheitsschädigung einer großen Anzahl von Menschen, sei eine seriöse Einschätzung möglich. Diese betreffend des Vorwurfes nach § 330a StGB vorgenommene Einschätzung des Sachverständigen lies im Weiteren auch den Vorwurf nach § 223, 224 StGB entfallen. Eine Gefährdung der anderen Besucher konnte dem Angeklagten folglich insgesamt nicht nachgewiesen werden. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung zu verurteilen, folgte das Gericht nicht und sprach den Angeklagten frei.
Auch die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft ist zu kritisieren: Entgegen ihres gesetzlichen Auftrages nach § 160 II StPO, nicht nur be-, sondern auch die zur Entlastung dienende Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, beschränkten sich die Ermittlungen, trotz dem bereits im Ermittlungsverfahren durch den Verteidiger Dr. Hüttl angeregten weiteren Nachforschungen, hinsichtlich der – vermeintlichen - Giftigkeit des Rauchs, auf lediglich einen Internetversandhandel für pyrotechnische Erzeugnisse. Die dort angebotenen Rauchtöpfe enthielten giftige Gase. Den Hinweisen des Verteidigers auf das Vorliegen von weiteren Angebote von Versandhändlern, die nichtgiftige Rauchtöpfe anboten, wurden nicht nachgekommen. Auch das Gericht kritisierte dies in seiner Urteilsbegründung. Dies zeigt erneut, dass sich Staatsanwaltschaften und Polizei im Bezug auf "Fußballverfahren" aufgrund der medial angefeuerten gesellschaftlichen Empörung „auf der sicheren Seite wähnen“. Dass der vorsitzende Richter und die beiden Schöffen sich von dieser Empörung nicht täuschen ließen sondern objektiv-juristisch über die Strafbarkeit urteilten, ist ausdrücklich hervorzuheben.