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Donnerstag, 18. Januar 2018

Bundesverwaltungsgericht stärkt Fan- und Bürgerrechte: SKB-Datei rechtswidrig?

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit Beschluss vom 20.12.2017 mit den Grundrechtseingriffen durch die heimliche Speicherung personenbezogener Daten in der "Arbeitsdatei Szenekundige Beamte" der PD Hannover auseinandergesetzt. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen.

Seit 2015 klagt ein 96-Fan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl, mit Unterstützung der Fanhilfe Hannover auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datei. In den Vorinstanzen wurde bereits die Löschung des überwiegenden Teils einzelner Einträge erreicht.
Die Grundsatzfrage - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gesamten Datei - konnte bisher nicht im Sinne der Klägerin und des Grundrechtsschutzes geklärt werde. Schwerpunkt der Argumentation ist hierbei, dass die Datei von März 2005 bis August 2014 ohne Kenntnis der Öffentlichkeit, also heimlich, geführt wurde.

Insoweit war auch festzustellen, dass die Polizeibehörden ihrer Verpflichtung aus dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz zur Vorlage einer Verfahrensbeschreibung an den Landesdatenschutzbeauftragten nicht nachgekommen ist. Die von der Eintragung Betroffenen konnten daher weder Auskunfts-, noch Löschungsansprüche geltend machen. Im Verfahren wurde dieses Vorgehen als „stasiähnliche Methode“ beschrieben. Erst im laufenden Verfahren wurden die notwendigen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen zur legalen Nutzung der Datei geschaffen, so dass die Betroffenen erst ab diesem Zeitpunkt auf Antrag Auskunft zu den möglicherweise gespeicherten Daten erhalten konnten.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass es sich bei der (ausdrücklich so bezeichneten) „heimlichen Speicherung personenbezogener Daten“ um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt. Der Beschluss bestätigt insoweit ein entsprechendes Feststellungsinteresse der Klägerin, weil die Art des Eingriffes in ihren grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, dies erfordert.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt generell, dass der Einzelne in Anbetracht des Grundrechtsschutzes vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten geschützt ist. Dies gilt selbstverständlich auch für Fußballfans. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dies insbesondere notwendig, um Einschüchterungseffekte zu verhindern, die entstehen, wenn der Einzelne nicht mehr weiß, wer etwas wann und wo über ihn weiß und was für Daten bei welcher Behörde über ihn gespeichert sind. Dies gilt umso mehr, wenn der einschneidende Effekt der Speicherung erst später und mittelbar zum Tragen kommt: zum Beispiel bei der Stützung eines Aufenthaltsverbots auf die heimlich gespeicherten Erkenntnisse in der SKB-Datei.
Solch schwerwiegende Grundrechtseingriffe müssen von den Betroffenen gerichtlich überprüft werden können. Durch eine heimlichen Speicherung über einen Zeitraum von fast einem Jahrzehnt wurde dieses verfassungsrechtlich garantierte Recht faktisch durch die Polizeibehörden ausgehebelt. Dieses Vorgehen ist deutlich zu kritisieren.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit nun an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, welches zuvor einen entsprechenden Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit negiert hatte, zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts stimmt insoweit hoffnungsvoll, als dass die dort dargelegte Ansicht die Interpretation zulässt, dass die Datei bis zur Kenntnis der Öffentlichkeit und Erfüllung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in rechtswidriger Art und Weise geführt wurde, weil eben kein effektiver Rechtsschutz gegen die Speicherung möglich war. Dies könnte in der anstehenden Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis führen, dass festgestellt wird, dass alle Einträge aus der Zeit vor August 2014 rechtswidrig vorgenommen wurden und daher gelöscht werden müssen.

Insoweit wurde der Landesdatenschutzbeauftragte aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Datensätze nicht in die neu geschaffene LKA-Datenbank „Safir“ überführt werden, bis das Oberverwaltungsgericht eine Entscheidung in dem zurückverwiesenen Verfahren getroffen hat.
Auch die möglichen mittelbaren Folgen sind erheblich. So ist zu beachten, dass, bis auf wenige Ausnahmen, keine Informationspflicht über Eintragungen für entsprechende Datenbanken anderer Bundesländer sowie für die bundesweite "Datei Gewalttäter Sport" besteht. Auch diese Praxis könnte sich im Lichte des Beschlusses als rechtswidrig darstellen, da dort gespeicherte Personen in Ermangelung der Kenntnis der Eintragung ihre Rechte auf Auskunft und Löschung ebenfalls nicht geltend machen können.
Dass dies eine Problemlage darstellt, die grundsätzlich nicht nur Fußballfans betrifft, ist spätestens seit dem Eklat um in Datenbanken gespeicherte Journalisten im Kontext des G20-Gipfels 2017 feststellbar. Die vielfache Kritik an der dortigen heimlichen Datenspeicherung ist ins Gedächtnis zu rufen.