Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit Beschluss vom 20.12.2017 mit
den Grundrechtseingriffen durch die heimliche Speicherung
personenbezogener Daten in der "Arbeitsdatei Szenekundige Beamte" der
PD Hannover auseinandergesetzt. Die Entscheidung hat weitreichende
Konsequenzen.
Seit 2015 klagt ein 96-Fan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl, mit Unterstützung der Fanhilfe Hannover auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datei. In den Vorinstanzen wurde bereits die Löschung des überwiegenden Teils einzelner Einträge erreicht.
Die Grundsatzfrage - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gesamten
Datei - konnte bisher nicht im Sinne der Klägerin und des
Grundrechtsschutzes geklärt werde. Schwerpunkt der Argumentation ist
hierbei, dass die Datei von März 2005 bis August 2014 ohne Kenntnis der
Öffentlichkeit, also heimlich, geführt wurde.
Insoweit war auch festzustellen, dass die Polizeibehörden ihrer
Verpflichtung aus dem Niedersächsischen Datenschutzgesetz zur Vorlage
einer Verfahrensbeschreibung an den Landesdatenschutzbeauftragten nicht
nachgekommen ist. Die von der Eintragung Betroffenen konnten daher weder
Auskunfts-, noch Löschungsansprüche geltend machen. Im Verfahren wurde
dieses Vorgehen als „stasiähnliche Methode“ beschrieben. Erst im
laufenden Verfahren wurden die notwendigen datenschutzrechtlichen
Voraussetzungen zur legalen Nutzung der Datei geschaffen, so dass die
Betroffenen erst ab diesem Zeitpunkt auf Antrag Auskunft zu den
möglicherweise gespeicherten Daten erhalten konnten.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt in seinem Beschluss zu dem Ergebnis,
dass es sich bei der (ausdrücklich so bezeichneten) „heimlichen
Speicherung personenbezogener Daten“ um einen schwerwiegenden Eingriff
in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt. Der Beschluss
bestätigt insoweit ein entsprechendes Feststellungsinteresse der
Klägerin, weil die Art des Eingriffes in ihren grundrechtlich
geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten
Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, dies erfordert.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt generell, dass der Einzelne in
Anbetracht des Grundrechtsschutzes vor der unbegrenzten Erhebung,
Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten
geschützt ist. Dies gilt selbstverständlich auch
für Fußballfans. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts ist dies insbesondere notwendig, um
Einschüchterungseffekte zu verhindern, die entstehen, wenn der Einzelne
nicht mehr weiß, wer etwas wann und wo über ihn weiß und was für Daten
bei welcher Behörde über ihn gespeichert sind. Dies gilt umso mehr, wenn
der einschneidende Effekt der Speicherung erst später und mittelbar zum
Tragen kommt: zum Beispiel bei der Stützung eines Aufenthaltsverbots
auf die heimlich gespeicherten Erkenntnisse in der SKB-Datei.
Solch schwerwiegende Grundrechtseingriffe müssen von den Betroffenen
gerichtlich überprüft werden können. Durch eine heimlichen Speicherung
über einen Zeitraum von fast einem Jahrzehnt wurde dieses
verfassungsrechtlich garantierte Recht faktisch durch die
Polizeibehörden ausgehebelt. Dieses Vorgehen ist deutlich zu
kritisieren.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit nun an das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, welches zuvor einen
entsprechenden Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit
negiert hatte, zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts stimmt insoweit
hoffnungsvoll, als dass die dort dargelegte Ansicht die Interpretation
zulässt, dass die Datei bis zur Kenntnis der Öffentlichkeit und
Erfüllung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in rechtswidriger
Art und Weise geführt wurde, weil eben kein effektiver Rechtsschutz
gegen die Speicherung möglich war. Dies könnte in der anstehenden
Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis führen, dass
festgestellt wird, dass alle Einträge aus der Zeit vor August 2014
rechtswidrig vorgenommen wurden und daher gelöscht werden müssen.
Insoweit wurde der Landesdatenschutzbeauftragte aufgefordert, dafür
Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Datensätze nicht in die neu
geschaffene LKA-Datenbank „Safir“ überführt werden, bis das
Oberverwaltungsgericht eine Entscheidung in dem zurückverwiesenen
Verfahren getroffen hat.
Auch die möglichen mittelbaren Folgen sind erheblich. So ist zu
beachten, dass, bis auf wenige Ausnahmen, keine Informationspflicht über
Eintragungen für entsprechende Datenbanken anderer Bundesländer sowie
für die bundesweite "Datei Gewalttäter Sport" besteht. Auch diese Praxis
könnte sich im Lichte des Beschlusses als rechtswidrig darstellen, da
dort gespeicherte Personen in Ermangelung der Kenntnis der Eintragung
ihre Rechte auf Auskunft und Löschung ebenfalls nicht geltend machen
können.
Dass dies eine Problemlage darstellt, die grundsätzlich nicht nur
Fußballfans betrifft, ist spätestens seit dem Eklat um in Datenbanken
gespeicherte Journalisten im Kontext des G20-Gipfels 2017 feststellbar. Die vielfache Kritik an der dortigen heimlichen Datenspeicherung ist ins Gedächtnis zu rufen.