Im Rahmen der Begegnung zwischen Hannover 96 und Holstein Kiel am 02. März 2020 wurde in der Anfangsphase der Partie im gesamten Fanbereich der Nordkurve ein Doppelhalter präsentiert, auf dem Dietmar Hopp in einem Fadenkreuz zu sehen war. Diese Aktion fand im Rahmen bundesweiter Fanproteste, aufgrund der faktischen Rückkehr zum System der Kollektivstrafen durch den DFB, statt. Dietmar Hopp war hierbei ein Akteur im Verfahren gegen Borussia Dortmund, aber ist auch in den Fankurven ein Symbol für die stark kritisierten Entwicklungen des deutschen Fußballs.
Im Nachgang der Partie erhielt ein Mitglied der Fanhilfe Hannover eine Vorladung als Beschuldigter wegen vermeintlicher Beleidigung.
Die Fanhilfe Hannover beantragte in diesem Fall umgehend über Dr. Andreas Hüttl Akteneinsicht und nahm sich der Verteidigung des betroffenen Fans an. Beleidigung ist als Straftatbestand ein Antragsdelikt.
Da bereits an dieser Stelle kein Strafantrag durch einen möglichen Geschädigten vorlag, gehörte das eröffnete Ermittlungsverfahren bereits an dieser Stelle formaljuristisch eingestellt und hätte gar nicht eröffnet werden dürfen.
Nach dem Abschluss der Ermittlungen wandte sich die Polizeidirektion Hannover über die TSG Hoffenheim an Herrn Dietmar Hopp und fragte dort an, ob dieser einen Strafantrag stellen wolle. Diese Nachfrage blieb in der Folge unbeantwortet. Ein Strafantrag wurde von Herrn Hopp nicht gestellt.
Nur im Falle einer positiven Antwort, also dann, wenn Herr Hopp einen Strafantrag gestellt hätte, wäre das Verfahren fortzusetzen gewesen.
Die Fanhilfe Hannover kritisiert diese von vorauseilendem Gehorsam geprägte Ermittlungspraxis aufs Schärfste. "Wir prüfen derzeit, ob es sich hierbei um eine selektive Strafverfolgung handelt und gegebenenfalls eine Anzeige für die Verfolgung Unschuldiger gestellt wird" führt ein Sprecher der Fanhilfe Hannover aus. Darüber hinaus überlegt die Fanhilfe Hannover über einen Rechtsbeistand Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen. Gerade in Anbetracht der vielfachen Mitteilungen der knappen Ressourcen der Polizeibehörden mutet es grotesk an, dass in diesen Fällen mit erheblichem Ermittlungsaufwand und Einsatzstunden, Sachverhalte und Beschuldigte ermittelt werden, die Verfahren mit erheblichem Zeitaufwand vorangetrieben werden und sodann all dies vergebens ist, da der Geschmähte gar keinen Strafantrag stellt und damit eine zwingend notwendige Voraussetzung für die strafrechtlichen Verfolgung fehlt.
Auch an anderen Standorten kam es im Nachgang dieses Protestspieltags zu eingeleiteten Ermittlungsverfahren, ohne, dass ein Strafantrag des vermeintlich Geschädigten bei Aufnahme der Ermittlungen vorgelegen hat. Es ist festzustellen, dass hier an zahlreichen Standorten - obwohl jeweils „mehrere Tausende“ entsprechende Schmähgesänge anstimmen - Einzelne, den Polizeibehörden bekannte Fans, herausgepickt werden, um ausschließlich gegen diese Einzelne Strafverfahren zu generieren.
Im Zuge dieser scheinbaren Polizeipraxis rät die Fanhilfe Hannover allen betroffenen Fans, die Opfer einer derartigen Polizeipraxis werden, sich umgehend dagegen zur Wehr zu setzen. Überzogener Ermittlungseifer, die Verfolgung Unschuldiger ohne dass überhaupt Strafantrag gestellt wurde und vorauseilender Gehorsam von Polizeibehörden sind in einem funktionierenden Rechtsstaat keine Attribute für einen glaubwürdigen Rechtsstaat.