Freitag, 5. September 2025

Pressemitteilung: Hamburger Stadtderby 2025 als Vorbild: Die Fanhilfe Hannover zieht als Beobachter ein Resümee und stellt Kernforderungen für ein störungsfreies Niedersachsenderby auf

„Frau Behrens und die Polizei Niedersachsen müssen sich die unbequeme Frage gefallen lassen, wie es die Polizei Hamburg mit weniger Einsatzkräften sogar an einem Freitagabend schafft ein brisantes Stadtderby unter Vollauslastung ohne Sicherheitsauflagen durchzuführen. Wohlgemerkt, ohne im Vorfeld mit Hysterie und Populismus die Presselandschaft zu versorgen, sodass sogar die überwiegende Mehrheit der Fans beider Vereine ein positives Fazit zum Einsatz der Polizei zieht.“ sagt ein Sprecher der Fanhilfe Hannover.

Das Hamburger Stadtderby fand mit voller Zuschauerauslastung statt. Fans beider Clubs organisierten Derby-Märsche, die sich sogar zeitlich versetzt kreuzten. Die Sicherheitsbehörden verzichteten im Vorfeld auf die Reduzierung von Gästekontingenten, präventive Betretungsverbote, personalisierte Tickets, sowie behelmte und vermummte Beamte in der Einsatzlage. Im Stadion fanden keinerlei Einschränkungen von Fanmaterialien Anwendung, sodass Choreographien und Fahnen dem Spiel einen würdigen Rahmen gaben. Zudem wurden laut Pressemitteilung der Polizei dabei weniger Beamte eingesetzt als in den Niedersachsenderbys der vergangenen Saison, die an einem Sonntag und größtenteils ohne Gästefans stattfanden.

Der Verlauf des Hamburger Stadtderbys 2025 bestätigt dabei in allen Punkten die bekannte Haltung der Fanhilfe Hannover.

In den vergangenen Partien zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig haben die vom Innenministerium und der Polizei angewendeten Maßnahmen trotz weniger Zuschauer zu einem deutlichen Anstieg der eingesetzten Polizeikräfte, Kosten, Auseinandersetzungen und Störungen geführt. Innenministerin Daniela Behrens steht dafür massiv in der Kritik, da sie sich im Alleingang entgegen allen Expertenmeinungen für eine rein repressive Gangart über die Köpfe der tatsächlich Betroffenen entschieden hat.

Mit der gestrigen Terminierung der Partie erneuert die Fanhilfe Hannover die Kritik an den bisherigen Maßnahmen der Innenministerin Daniela Behrens und stellt hierzu sechs bekannte Kernforderungen, um eine weiterführende Eskalation zwischen Politik und Fanszenen zu vermeiden.


1.)   Volle Auslastung der Stadien und volles Kontingent für Gästefans

Fußballspiele im Stadion leben von Emotionen. Mit der Reduzierung von Kontingenten oder dem Ausschluss von Fans verliert das Fußballspiel nicht nur seinen Charakter durch fehlende, stimmungsvolle Fankurven. Vergangene Spiele haben gezeigt, dass eben jene Maßnahme nicht nur wirkungslos ist, sondern auch genau das Gegenteil bewirkt. Das geringe Kontingent von 10 % für Gästefans ist dabei ohnehin ein schmerzhafter Punkt für jeden Fußballfan auf Reisen.

2.)   Expertisen und Perspektiven

Im Zuge der Club-Fan-Dialoge mit Gewaltprävention nehmen die Vereine gemeinsam mit den Fans die ihnen übertragene Verantwortung bereits an. Ein Stadionbesuch ist statistisch mittlerweile sicherer als der Besuch eines Volksfestes. Unter dem Strich erfährt dieses, oft ehrenamtliche, Engagement allerdings keine Würdigung seitens der Politik und der Sicherheitsbehörden.

„Es ist paradox zu sehen, wie Vereine und Fankurven regelmäßig gefordert werden Verantwortung zu übernehmen, diese dann annehmen, Selbstreflektion und Selbstregulierungsprozesse erfolgreich entwickeln, um am Ende keine Perspektiven daraus eröffnet zu bekommen. Kritische Stimmen in den Vereinen und Fankurven mehren sich, warum man sich über Wochen damit befasse, wenn am Ende kein positiver Mehrwert zu erreichen sei.“ resümiert Paula Mundt von der Fanhilfe Hannover.

Darüber hinaus bleibt es weiterhin fragwürdig, weshalb seitens des Innenministeriums gegen alle Einschätzungen der eigenen Experten gehandelt wird. Mit den Fanbeauftragten der Vereine, den Fanprojekten und zahlreichen wissenschaftlichen Expertisen stehen gleich mehrere spezialisierte Fachbereiche zur Verfügung, deren Einschätzungen bei den letzten Derbys gänzlich übergangen wurden.

Die Fanhilfe Hannover fordert daher in Hinblick auf die kommende Begegnung des Niedersachsenderbys eine frühzeitige und vor allen Dingen faktenorientierte Diskussion der Sicherheitslage für ein zielorientiertes Ergebnis.

3.)   Keine Personalisierung von Eintrittskarten

Fans sind als solche mündige Bürger mit Grundrechten. Alle Zuschauer vom Grundsatz her generell als Verdächtige zu klassifizieren widerstrebt jeder Definition einer freien und demokratischen Gesellschaft.

Eine Identifizierung ist im Falle von unkenntlich gemachten potenziellen Verdächtigen durch personalisierte Tickets nicht in der Praxis realisierbar. Weiterführend ist auch die freie Platzwahl in den Blöcken gegeben. Die Personalisierung ist somit zwecklos. 

Darüber hinaus weist die Fanhilfe Hannover bereits an dieser Stelle darauf hin, dass aufgrund der Einlasssituation bei den vergangenen Spielbegegnungen eine Umsetzung der Kontrolle solcher Personalisierungen in der Praxis nicht realisierbar ist.

4.)   Freie Anreise für alle Bürger

Das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit gilt auch für Fußballfans. Hierzu gehört auch die Anreise zu Fußballspielen. Zwangsmaßnahmen zur Anreise lehnen wir daher vollumfänglich ab. Individuelle Anreisen von Fans dürfen zudem nicht automatisch zu einer Stigmatisierung als „potentieller Störer“ führen. Oftmals gibt es bedingt durch Arbeit, Anreiseweg oder Gesundheit gute Gründe, individual anzureisen.

5.)   Keine Einschränkung von Fanutensilien

Fahnen und Choreographien sind Teil einer lebendigen Fankultur. Sie machen nicht nur das Niedersachsenderby zu stimmungsvollen Erlebnissen. Sie sind auch Ausdruck von vielen Fans, sich mit ihrem Verein zu identifizieren. Mit aktiven Eingriffen in die Fankultur durch, wie auch immer geartete, Auflagen und Verbote bricht somit ein elementarer Bestandteil dieser Identifikation weg. Dass dieser Eingriff seitens der Fankurven nicht protestlos hingenommen wird, ist seit Jahren hinlänglich bekannt.

Die Fanhilfe Hannover lehnt daher Einschränkungen von Fanmaterialen und Choreographien, sowie deren Verbot in Gänze ab.

6.)   Kritisches Hinterfragen von Alkoholverboten

Dass Alkohol eine enthemmende Wirkung haben kann, ist unbestritten. Eine valide Datenbasis, dass Gefährder oder gar Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen vermehrt alkoholisiert sind, liegt allerdings nicht vor.

Fakt ist hingegen auch, dass Alkohol- oder Ausschankverbote genau die gegenteilige Wirkung entfalten, die mit ihnen beabsichtigt ist. Erfahrungsgemäß findet aufgrund der Einschränkungen der Alkoholkonsum unkontrollierter und vor allem mit deutlich höherprozentigen Getränken statt. Insbesondere an Spielstätten sind meistens die Stadion-Caterer davon betroffen, während im unmittelbaren Umfeld oder auf den Anreisewegen der Ausschank und der Konsum erlaubt ist. Hinzu kommt, dass in den VIP-Bereichen, trotz der Ausschankverbote, alkoholhaltige Getränke ausgeschenkt werden. Somit entpuppt sich eine derartige Auflage unter dem Strich als wirkungslos.

Die Fanhilfe Hannover lehnt daher, aufgrund der Erfahrungen der letzten Risikospiele, ein Ausschankverbot von alkoholischen Getränken ab und ruft daher alle Zuschauer zum verantwortungsvollen Genuss auf.

„Noch ist eine Umkehr aus der Sackgasse, in die sich Daniela Behrens manövriert hat, nicht unmöglich. Allerdings bedarf es hier einer 180-Grad-Wende zu den bisherigen erfolglosen Maßnahmen, um das Niedersachsenderby in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Uns ist bewusst, dass Politik und Sicherheitsbehörden seit Jahrzehnten vehement vermeiden, einen eingeschlagenen und offensichtlich falschen Weg wieder zu verlassen, da eine aktive Fehlerkultur als Schwäche angesehen wird. Wer allerdings von den Vereinen Verantwortung fordert, sollte hier seiner eigenen Verantwortung erst einmal gerecht werden. Einsicht und Lösungsorientierung statt Populismus und blinder Aktionismus wären hier ein guter erster Schritt“ sagt Stephan Riedel von der Fanhilfe Hannover.

Fanhilfe Hannover, 05.09.2025